BUND Kreisverband Fulda
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Hochrhön: Über Wald und Wiesen

Die Vielfalt der Rhön-Bergwiesen auf hessischer Seite schwindet

Joachim Schleicher und Julia Djabalameli vor einer Schutzfläche für die Karpatenbirke.  (BUND / BUND KV Fulda)

Die Rhön im Dreiländereck Hessen-Thüringen-Bayern zählt zu den 30 deutschen »Hot Spots der Artenvielfalt«. Weder ein Natura 2000-Gebiet noch das umliegende Biosphärenreservat konnten bislang verhindern, dass die Vielfalt der Bergwiesen auf hessischer Seite schwindet.

Östlich von Fulda erstreckt sich das Fauna-Flora-Habitat-Gebiet »Hochrhön«. Fast 5000 Hektar umfasst es in den Höhen der hessischen Rhön, darin ein Dutzend Naturschutzgebiete mit klingenden Namen wie »Rotes Moor« oder »Schafstein bei Wüstensachsen«. Während es beim Umbau der Wälder vorwärts geht, scheint es um die Zukunft der charakteristischen Wiesen in der Hochrhön weniger gut bestellt. Vor allem ihretwegen fördert die EU hier ein millionenschweres (LIFE-)Projekt. Es soll helfen, »den Verpflichtungen aus Natura 2000 in verstärktem Maße nachzukommen«. Ob das gelingt? Zwei BUND-Aktive – beruflich und ehrenamtlich eng mit der Hochrhön verbunden – haben da ihre Zweifel.

WILDER WALD
Es ist der letzte Septembertag des Jahres. Ein kalter Wind bläst Regenwolken über den Kamm der Rhön. An ihm entlang ziehen Buchfinken grüppchenweise nach Südwesten, fort in mildere Gefilde. Die Wiesen sind gemäht, das Laub beginnt sich zu verfärben. Hier auf fast 800 Meter Höhe brechen bald raue Zeiten an.

Eine Art, die mit den kargen Verhältnissen gut zurechtkommt, ist die Karpatenbirke. Gleiches gilt für Revierförster Joachim Schleicher. Der langjährige BUND-Aktive deutet auf ein struppiges Gelände direkt am Höhenweg. Einst wuchs hier ein monotoner Fichtenforst. Vor Jahren gelang es den Privatwald gegen ein öffentliches Waldstück außerhalb des FFH-Gebiets zu tauschen. Um der Karpatenbirke, einem seltenen Eiszeitrelikt, mehr Raum zu verschaffen, rodete HessenForst die Fichten. Zwischen reichlich Totholz ragen zahllose Jungbirken und Weidenröschen empor, die ganze Fläche darf sich frei entwickeln. Ob Skabiosen-Scheckenfalter oder Uhu, Wildkatze und Wolf oder gleich zehn verschiedene Fledermäuse: Von einer solchen Wildnis aus zweiter Hand profitieren viele bedrohte Tiere der Rhön.

WIESE STATT WALD
Wir fahren einige Kilometer weiter, zur Wasserkuppe, dem Besuchermagneten in der hessischen Rhön. Auch dort wurden kürzlich Fichten geschlagen, nicht jedoch, um einen vielfältigeren Wald zu schaffen. Auf den 1,3 Hektar, die Joachim Schleicher roden ließ, werden die Wurzelstöcke bald so gründlich entfernt, dass eine Bergmähwiese entstehen kann. Durchströmt vom Quellbach der Fulda, soll sie die umliegenden Wiesen als Korridor vernetzen. Immerhin brüten rund um die Wasserkuppe mehr Feldlerchen als irgendwo sonst in Hessen.

Eine Investition wie diese ist über das LIFE-Projekt gut anzuschieben. Nicht möglich aber ist es, damit die Rhönwiesen dauerhaft extensiv zu bewirtschaften. Für Julia Djabalameli vom BUND-Kreisverband Fulda ein echter Missstand: »Es ist doch aberwitzig, dass man hier mit viel Aufwand neue Bergwiesen schafft, die vorhandenen aber nicht richtig pflegen kann!« Außerhalb des Waldes liegt in dem FFH-Gebiet einiges im Argen, da sind sich die resolute Landwirtin im Nebenerwerb und der Revierförster einig.

FALSCHE ANREIZE
Julia Djabalameli weiß, wovon sie spricht. Auf ihrem Hof in 560 Meter Höhe hält sie mehr als 200 Ziegen und Schafe. Seit 15 Jahren kommen sie überall dort zum Einsatz, wo das »Land der offenen Fernen« (wie die Rhön gern genannt wird) seinen Charakter bewahren soll. Denn gründlicher als jede Mahd oder Rinderweide sorgen Ziegen und Schafe dafür, dass Licht bis zum Boden dringt und seltene Pflanzen wie die Arnika wieder keimen können.

»Naturschutz und Landschaftspflege zu verbinden, das war immer mein Traum«, erzählt die Landwirtin. Bei allem Idealismus müsse ein solcher Dienst an der Gemeinschaft aber die Kosten decken. Und das sei heute kaum mehr möglich, angesichts der geringen Fördermittel des Landes Hessen und einer EU-Agrarpolitik, die weiter die falschen Anreize biete.

SCHWINDENDE VIELFALT
Im Ergebnis habe die Rhön in den letzten Jahrzehnten eine stattliche Zahl artenreicher Wiesen verloren. Gerade in niedrigen Lagen würde immer intensiver gewirtschaftet, auch im Biosphärenreservat. »Man berät die Bauern falsch und drängt ihnen große Ställe auf. Für die vielen Tiere fehlt dann die Fläche.«  Wo früher alles voller Blüten und Insekten war, herrsche nun das oft gedüngte und gemähte, sterbenslangweilig artenarme Grünland vor.

DIE EU DROHT
Besser sieht es in den oberen Lagen aus. Im FFH-Gebiet Hochrhön wirken die Bergwiesen noch intakt. Doch auch hier schwindet die Vielfalt, beobachten die zwei BUND-Aktiven. Welche Wiese wie am besten pflegen? Da geht es nun rasch ins Detail. Von Verfilzung, Aushagerung und Unterbeweidung ist da die Rede, und davon, dass Böden atmen müssen.

»Sprecht mit den Bewirtschaftern!«, rät Julia Djabalameli mehrfach. Das wird wohl nötig sein. Weil die Qualität der FFH-geschützten Lebensräume nicht nur in der Rhön, sondern bundesweit stetig sinkt, droht die EU Deutschland bereits mit hohen Strafzahlungen.

Artikel von Severin Zillich im BUNDmagazin 4 | 22, Seite 34 - 35